Montag, 6. Februar 2017

Locke & Key: Familiengeschichte mit Extras


Wie schon auf The Sandman, stieß ich auf die Reihe Locke & Key von Joe Hill und dem Illustrator Gabriel Rodríguez durch vorherige positive Erfahrung mit einigen von Hills Prosa-Werken. Ich las, angespornt durch die Tatsache, dass hier (wenn auch unter absichtlich die Herkunft verschleiernden Pseudonym) der von Stephen King ebenfalls sein Glück im Fach des Horrorromans suchte, Heart Shaped Box und NOS4A2 (letzterer Titel eine wunderbare Ver-Autoschildlichung der berühmten Vampirfigur; welche übrigens im Deutschen komplett untergeht, denn dort heißt der Roman zwar ebenfalls sinnvoll in Anbetracht der Handlung, jedoch weitaus weniger cool: Christmasland), und war begeistert von seinem Erzähltalent, ebenso wie von der Tatsache, dass er sich so angenehm vom Stil und den Themen seines Vaters abhob, auch wenn er im gleichen Genre schrieb wie dieser. Stephen Kings Grusel-Epen und seine Mindfuck-Fantasy-Saga rund um den Dunklen Turm sind für immer in mein Herz geschlossen, doch ich erfreute mich sehr an Hills wohlersichtlichen Willen, sich nicht auf den Vorschusslorbeeren rund um seinen berühmten Erzeuger auszuruhen, und seine Lust, eigenständige und neuartige Ansätze zu finden und eifrig zu verwirklichen. Auch wenn mir Horns nicht so sehr gefiel, wie seine anderen beiden Romane, so interessierte mich der Herr doch gut genug, um mich ein wenig auf Internet-Recherche einzulassen und nach nicht allzu langer Zeit auf seine Comic-Arbeiten - und damit großflächig auf Locke & Key - zu stoßen. Zu dieser Zeit hatte ich gerade begonnen, mich mit The Sandman auseinanderzusetzen, und ich setzte mir die Reihe sofort auf meine damals noch nicht heillos überquellende, sondern sehr karge Lese-Liste. Schließlich entschied ich mich dazu, nach dem Ende von The Sandman und noch parallel zum Konsumieren der letzten Story-Arcs von The Dreaming, mit Locke & Key zu beginnen. Nach den Werken von Hill, die mir bis dato bekannt waren, erwartete ich eine wunderbare Gruselreise, einiges an Phantastik und Drama, aber auch Härte und Kalkül. Und ich wurde nicht enttäuscht.


Die Reihe besteht aus 37 Einzelausgaben, die im Verlauf der Jahre 2008 bis 2013 erstmals publiziert wurden. Ich las sie in den zusammenfassenden Sammelbänden, von denen insgesamt sechs Stück erhältlich sind, die jeweils die einzelnen Mini-Serien unter einen Hut (beziehungsweise: zwischen zwei Deckel) bringen. Die Erzählung nimmt ihren Ausgangspunkt im Ableben des Familienoberhaupts der Locke-Familie, Tyler Locke, und folgt den Hinterbliebenen bei ihrem Einzug ins sogenannte "Keyhouse", einem Anwesen, welches sich schon seit langer Zeit in Besitz ihrer Familie befindet. Zu der Trauerbewältigung, die vor allem die Mutter schwer beutelt, gesellen sich die (ganz unterschiedlichen, aber doch gleichenteils als solche zu bezeichnenden) Teenager-Probleme von Kinsey und Tyler... Sowie die ausschlaggebende Entdeckung der magischen Schlüssel durch den sechsjährigen Bode, die viele der weiteren Ereignisse beeinflussen und bestimmen wird. Mit den vielzähligen Schlüsseln, dich sich überall im Haus finden lassen, kann man in die Köpfe von Menschen einsteigen und Erinnerungen stehlen, ersetzen oder verändern, man kann das Geschlecht wechseln oder ganz schnell den Ort, oder man kann temporär als Geist aus seinem eigenen Körper aussteigen und somit sterben, ohne zu sterben. All diese Fähigkeiten, und noch viele mehr, werden den Helden der Familie Locke, die trotz all dessen, was ihnen an Schreckensgestalten und Monstren begegnet durch die Serie hinweg, immer mehr oder weniger zusammenhalten, mehr als zu Gute kommen.
Beginnt man Locke & Key, so wird man durch die etwas ruckelige Exposition der Geschichte vielleicht etwas erschreckt, und gleichfalls in eine nicht ganz richtige Richtung geleitet. Denn auch wenn die Geschehnisse nach der brutalen Ermordung von Bode Lockes Vater ihren Lauf nehmen, und diese Ermordung auch alles andere als unwesentlich für den gesamten Handlungsverlauf ist, ist Locke & Key an erster Stelle ein Familien-Melodram, und erst danach eine Horror-Fantasy-Action-Achterbahnfahrt. Was mir sehr positiv im Gedächtnis geblieben ist, das ist sind die stillen Momente, für die Hill und sein Stammzeichner sich Zeit nehmen, und mit denen sie ihren Charakteren so wunderbare Tiefen geben und die "normale" Handlung so gelungen unterfüttern. Die spannungsgeladenen Story-Arcs, mit denen Locke & Key auffährt, sind gut gemacht und interessant zu lesen, auch gerade aufgrund von Rodríguez eleganten Stil (der hier, anders als bei The Sandman, wo man die Liebe zur Variation positiv herausheben konnte, als wunderbar konsistent und essenziell zusammenhaltend für die gesamte Reihe gelobt werden muss) - doch Locke & Key hat mehr als nur das zu bieten. Es fährt neben dem Magischen und Bösen auch kleine Dinge auf, nach denen man sich wohl erst sehnen würde, wäre die Serie nicht mit ihnen verziert. Die Dynamik zwischen den außergewöhnlichen Charakteren, die die Familie Locke bilden, sowohl die Gesprächsszenarien als auch die Innensichten der Figuren, sowie ein hervorragend ausgearbeiteter Bewohnerkosmos der (nicht ohne Absicht, sondern als sehr direkter Hinweis auf horrorliterarische Vorbilder so benannten) Kleinstadt Lovecraft und schlichtweg passende Nebencharaktere machen die Reihe von einem ziemlich guten Horrorspektakel zu einem charmanten, anspruchsvollen und dramatischen Comic-Genuss.


Und das war meine kleine Rekapitulation zu Locke & Key; einer Reihe, die mir immer als etwas wenn auch nicht als etwas, was sich als "mindblowing" bezeichnen lässt, so doch als etwas Eigenständiges, Andersartiges und Besonderes im Kopf bleiben wird. Im nächsten Post, der noch diese Woche folgt, werde ich mich näher mit Y: The Last Man beschäftigen.
Bis dahin!

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